Artikel

Der alternative Weg des Herrn Saw Min von Rangun Myanmar nach Köln am Rhein.

Der alternative Weg des Herrn Saw Min von Rangun Myanmar nach Köln am Rhein.

Bewerten Sie diesen Artikel:
3.5

Herr Saw Min bekam vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) ein Stipendium, weil er Fachmann aus einem Entwicklungsland ist und dort zuvor Landwirtschaft studiert und danach 12 Jahre gearbeitet hatte. Der DAAD ist eine Einrichtung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Warum Deutschland und nicht Australien oder die USA?

Seit Mai 2013 lernt Herr Min intensiv Deutsch für den Hochschulzugang zum Master-Studiengang im „Institut for Technology and Resources Management in the Tropics and Subtropics“ (ITT) an der Fachhochschule Köln.

Als ich Herrn Min im August 2013 das erste Mal traf, war ich von seinen deutschen Sprachkenntnissen angenehm überrascht. Als ich dann von ihm erfuhr, dass er gerade mal drei Monate in Deutschland lebte und lernte, war ich so fasziniert von ihm, dass ich mir vornahm, ihn eines Tages zu fragen, ob er bereit sei, mir ein Interview für aprioripost.de zu geben.

Interview mit Herrn Saw Min und seiner Frau, geführt in Deutsch und Englisch, aufgezeichnet am18.10.2013 im Kaffee Stanton in Köln.

K.S.

Frau Min, Herr Min, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview genommen haben. Ich habe ca. 12 Fragen vorbereitet. Sie können zu jeder Zeit sagen: "Ich möchte diese Frage nicht beantworten," und wir gehen dann einfach weiter zur nächsten Frage.

S.M.

Einverstanden.

K.S.

Herr Min, Sie kommen aus Myanmar.Können Sie uns bitte sagen, aus welchem Ort Sie kommen?

S.M.

Ich bin in der Mitte von Myanmar geboren, aber jetzt lebe ich mit meinen Eltern in der Hauptstadt Rangun des Verwaltungsbezirks Yangon-Division. Wir sind dort hingezogen, als ich vier Jahre alt war. Rangun ist die größte Stadt in Myanmar und hat jetzt aktuell ca. 6 Millionen Einwohner.

K.S.

Können Sie uns etwas über Ihre frühe Kindheit erzählen?

S.M.

Mit vier Jahren beginnen die Kinder in Myanmar mit der Grundschule Stufe 0. Das ist vergleichbar mit dem Kindergarten. Dann folgt die Stufe 1 mit fünf Jahren, und es wird sofort Englisch gelernt. In der Grundschule lernen alle Kinder von der Stufe 0 bis zur Stufe 4 zusammen. 50 bis 60 Kinder sind in einer Klasse. Von der Stufe 5 bis zur Stufe 8 gehen die Kinder in die Mittelschule. In der Stufe 9 und 10 sind in der Oberschule auch noch 50 bis 60 Schüler. Ab der Stufe 1 ist Ganztagsunterricht von 08:30 bis 16:00 Uhr.

K.S.

Wie und wann haben Sie bemerkt, dass Ihnen das Lernen von unbekannten Themen und Inhalten leichter fällt als anderen Kindern?

S.M.

Ja es ist so, ich kann sehr schnell lernen. Das hat etwas mit Quam Songs und Tanz zu tun. Die Kinder, die singen und tanzen, sind glücklich und können deshalb leichter lernen.

K.S.

Habe ich das richtig verstanden, dass Sie und die anderen Kinder musisch inspiriert wurden, was dann den Effekt hatte, dass das Lernen gefördert wurde.

S.M.

Ja genauso ist das gewesen.

K.S.

Was war die Motivation für Sie, nach Deutschland zu gehen und nicht in die USA oder nach Australien? In beiden Ländern wird Englisch gesprochen, und das haben Sie schon ab Ihrem fünften Lebensjahr gelernt.

S.M.

Das ist eine sehr gute Frage. Warum sind wir lieber in Deutschland? Seit meiner Kindheit habe ich Erinnerungen an die Zusammenarbeit von Deutschen in Myanmar in der Textilindustrie. Meinen Eltern haben dort ca. fünf Jahre gearbeitet. Die Fabrik wurde mit deutscher Hilfe aufgebaut. Ich kann mich daran erinnern, dass es um Architektur und Technik ging. Die deutschen Techniker und Ingenieure haben zusammen mit den Menschen in Myanmar gelebt. Meine Eltern haben uns Kindern davon erzählt, dass die Deutschen technisch sehr gut arbeiten und immer sehr freundlich sind. Mein Vater ist Textil-Designer, meine Mutter arbeitet als Weberin. In meinem Studium hatte ich mit Lehrern und Professoren, die in Deutschland studiert hatten, zu tun, die uns Einiges über Deutschland erzählt haben.

Es gibt auch politische Gründe, weshalb ich nach Deutschland gekommen bin. Das hat mit der vergangenen Militär-Regierung in Myanmar zu tun. Und das hat mit Sanktionen der USA und Australien zu tun, und deshalb sind Menschen aus Myanmar dort auch nicht willkommen. In unserem Gefühl unterstützen uns die USA und Australien nicht in unserer Entwicklung und sind auch nicht freundlich zu uns. In Australien ist Bildung und Wohnen für uns sehr teuer, nicht hier in Deutschland. Außerdem ist hier das Zusammenkommen mit anderen Studenten sehr einfach, und viele von denen waren schon mal in Myanmar.

K.S.

Was war der aller erste Eindruck, das Gefühl, als Sie in Deutschland angekommen sind?

S.M.

Als mein Flugzeug in Frankfurt gelandet ist, hatte ich einen offenen Blick im Flughafen, das war sehr wichtig für mich. Ich konnte die Flugzeuge rund herum sehen und die Umgebung. Auch die Einreiseformalitäten waren sehr einfach: Pass gezeigt, keine Fragen gestellt, und weiter ging es nach Köln.

K.S.

Wo wohnen Sie jetzt in Köln? Wohnen Sie zusammen?

S.M.

Wir wohnen zur Zeit im Wohnheim der Fachhochschule in Köln Deutz auf ca. 30 qm; es kann aber sein, dass wir eine andere Wohnung bekommen.

K.S.

Welche Überlegungen haben dazu geführt, dass Sie sich für den Master-Studiengang ITT an der FH entschieden haben?

S.M.

Das ist auch eine besondere Frage.

Meine Antwort ist: weil ich mir besonders überlegt habe, wo ich was studieren sollte. Das von der FH besondere Programm „Institut for Technology and Resources Management in the Tropics and Subtropics“ (ITT) ist sehr wichtig für mein Land, weil wir noch keine Technologie und kein Ressourcen-Management haben. Es ist für mich sehr wichtig, damit ich in meinem Land die neue demokratische Entwicklung mit dem Master in ITT unterstützen kann.

Außerdem möchte ich das, was ich dann gelernt habe, an meine Landsleute weiter geben, damit diese die Möglichkeiten, die sich aus dem ITT Studium ergeben haben, auch nutzen können. Außerdem könnte ich mir vorstellen, im Parlament die Politiker zu unterstützen, die in der Entwicklung des Landes tätig sind.

K.S.

Was macht Ihnen Angst?

S.M.

Angst ist nicht das richtige Wort, aber ich mache mir sehr viele Gedanken darüber, ob ich mit meinem Ziel erreichen kann, meinem Land mit dem, was ich gelernt habe, helfen zu können oder nicht. Ich habe schon 12 Jahre im Ministerium gearbeitet, und bin nicht sicher, wenn ich zurück bin, ob ich dort wieder arbeiten kann und dort die Möglichkeit zur Unterstützung des Ministeriums bekomme, mein Know-How einzubringen.

K.S.

Was würde Sie glücklich machen, wenn Sie zurückgehen?

S.M.

Es würde mich sehr glücklich machen, wenn ich in Verbindung mit internationalen Freunden meine Träume eines positiven Fortschritts in meinem Land umsetzen könnte.

K.S.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

S.M.

Persönlich wünsche ich mir, mit meiner Familie in Frieden zusammenleben zu können in der Mittelklasse in Myanmar.

K.S.

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben. Wir und unsere Leser/innen hoffen, bald mehr über Ihren Werdegang in Köln und in Myanmar zu hören und zu lesen.

Das Interview führte Klaus Schampaul für www.aprioripost.de am 18.10.2013

Anzahl der Ansichten (9251)

Autor kontaktieren

x