Artikel

Handelspartner Saudi Arabien

Handelspartner Saudi Arabien

Bewerten Sie diesen Artikel:
4.4

Weil der saudische Journalist Kashoggi (1), der im Exil lebte, im Oktober 2018 in der türkischen Botschaft Saudi Arabiens umgebracht wurde, lässt Kanzlerin Merkel jetzt verlautbaren, dass Rüstungsexporte nach Saudi Arabien erst mal auf Eis gelegt werden sollen.

Man muss sich schon wundern. Keine Frage, dass der brutale Mord an einem Journalisten in einer diplomatisch geschützten Einrichtung wie der saudischen Botschaft bei Regierungen in aller Welt Entsetzen hervorrufen muss, aber wieso konnte und kann dieses mörderische Regime für westliche Staaten - mit angeblich demokratischen Werten und der Verankerung der Menschenrechte in der Verfassung - schon seit so vielen Jahren Handelspartner sein? Wieso gibt es nicht schon seit langem gerade gegenüber diesem Krieg treibenden Regime mehr Empörung und Ent-Rüstung bzw. Restriktionen gegen Waffengeschäfte, wo diese in der BRD laut Koalitionsvertrag doch eingestellt werden sollten?

Die seit 2015 andauernde militärische und politische Intervention im Jemen mit Tausenden von Toten - darunter überproportional viele Kinder - mit Millionen von Flüchtlingen und einer von Hungersnot und Krankheit bedrohten Zivilbevölkerung, haben zu einer humanitären Katastrophe geführt, die von den Vereinten Nationen als die derzeit schlimmste weltweit eingestuft wird. (Am 23.10.2018 wird in allen Nachrichtensendern von einer Hungerkatastrophe berichtet, die 14 Millionen Menschen betrifft). Dennoch haben diese Fakten offenbar nicht denselben Entsetzens-Effekt auf die Bundesregierung wie der Mord an Khashoggi, ebenso wenig wie auf andere Regierungen, die jetzt wegen der Hinrichtung einer Einzelperson ihre Beziehungen zu Saudi Arabien in Frage stellen und Besuche zur Investorenkonferenz in Riad absagen.

Dass, wie die ehemalige dänische Regierungschefin Thorning-Schmidt sagte, der Krieg im Jemen "eine ganze Generation von Kindern zu töten" drohe, hat in der Tat nirgends zu solcher Empörung geführt. Nur kurzfristig flackerte im Sommer 2018 mal etwas davon auf, als nämlich 51 Tote, darunter 40 SchülerInnen im Süden der Arabischen Halbinsel durch Kampfjets der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition zu Tode kamen...

Folgende Staaten nehmen an dieser Allianz im Jemen teil: Ägypten, Bahrain, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko, der Senegal und Sudan, mit logistischer Unterstützung der USA, Frankreichs und Großbritannien. Und die Bundesrepublik Deutschland nimmt teil, indem sie seit ihrer Vereidigung Anfang des Jahres Rüstungsgüter im großen Stil in die Mitgliedsländer des Bündnisses exportiert hat, davon alleine für 254 Millionen Euro nach Saudi Arabien. Dabei steht im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 07.02.2018 unter XII, Absatz 3 mit dem Titel "Abrüstung und restriktive Rüstungsexportpolitik":  

"Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Firmen erhalten Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben. Wir wollen diese restriktive Exportpolitik mit Blick auf den Jemen auch mit unseren Partnern im Bereich der europäischen Gemeinschaftsprojekte verabreden."

Dennoch sind mittlerweile zwischen dem 14. März und dem 23. September insgesamt 87 Einzelgenehmigungen für die Mitglieder des Bündnisses erteilt worden, wie aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour hervorgeht. Befürworter dieser kriegsunterstützenden Außen- und Wirtschaftspolitik werden sagen, dass hier auch Bestandsverträge berücksichtigt werden mussten, aber es drängt sich doch der Verdacht auf, dass das Geschäft hier Vorrang hat und der Koalitionsvertrag Schnee von gestern ist. Kein Wunder, dass so viele Menschen sich von den Parteien der Großen Koalition abwenden, da ihre Glaubwürdigkeit nicht nur in dieser wichtigen Frage längst abhanden gekommen ist.

Zurück zu Saudi Arabien: Auch innenpolitisch fährt dieses Land einen mörderischen Kurs. Besonders zeigt sich das gegenüber den saudi-arabischen Schiiten, als Anfang 2016 mindestens 47 tatsächliche oder vermutete islamistische Terroristen hingerichtet wurden. Das prominenteste Opfer unter ihnen war der schiitische Gelehrte Nimr al-Nimr, der 2011 zur Symbolfigur der Proteste der schiitischen Minderheit geworden war.

Und auch der jetzige, vom Westen noch bis vor kurzem als Reformer gefeierte starke Mann Saudi-Arabiens, Kronprinz Muhammed bin Salman, der vermutlich den Mord an Khashoggi angeordnet hat, durfte bislang seinen brutalen Regierungsstil ungestraft praktizieren. Nicht nur kidnappte er 2017 den libanesischen Premier Saad Hariri, sondern sperrte auch seine Widersacher im Land, darunter Familienmitglieder, reihenweise weg. Und er lässt Menschen zu Dutzenden hinrichten. Schon im ersten Quartal 2018 wurden in Saudi-Arabien laut Human Rights Watch 48 Menschen hingerichtet, die Hälfte von ihnen wegen Drogenvergehen ohne Gewaltanwendung. Die Hinrichtungsrate in Saudi-Arabien ist übrigens eine der höchsten weltweit.

Alle diese Umstände und Fakten führten nicht zu Konsequenzen in den Handelsbeziehungen westlicher Staaten mit Saudi-Arabien. Schwierig könnte es jetzt allerdings für viele Gründer des Silicon Valley werden, die durch dn Tod Khashoggis nervös geworden sind, vor allem, wenn der internationale Druck auf Saudi Arabien anhält. Denn für diese waren die Beziehungen zu Saudi Arabien lange ein gutes Geschäft, von dem beide Seiten profitierten, die Gründer, indem sie gerne und offenbar ohne ethische und menschenrechtliche Bedenken das Geld der Saudis annahmen und für Saudi Arabien, indem sie mit ihren Investitionen – und nicht nur dort – ihre Abhängigkeit vom Öl verringern konnten.

Auch in Washington werden die Bedenken von der US-Führung heruntergespielt, denn Saudi Arabien ist einer der wichtigsten Ausfuhr-Partner der USA und darüberhinaus Partner im Konflikt mit dem Iran und seit neustem Verbündeter Israels. Im Frühjahr erkannte Mohammed bin Salman nämlich das Existenzrecht des jüdischen Staats an und brach so mit einer ideologischen Grundregel der arabischen Welt. Auch das könnte ein Grund für die US-Regierung sein, an den guten Beziehungen festzuhalten. Der Mord an Khashoggi soll das Projekt „Frieden im Nahen Osten “ möglichst nicht gefährden. Obwohl ein Murren selbst durch die republikanischen Reihen geht, versucht Trump die Angelegenheit Khashoggi auszusitzen, bis Gras über die Angelegenheit gewachsen ist und die Welt wieder zur "Geschäftsnormalität" zurückkehren kann.

Das hofft sicher auch unsere Regierung. 

© Victoria Caesar - Alle Rechte vorbehalten


[1] Das Mordmotiv ist nicht so eindeutig, wie es in der Weltpresse dargestellt wird; denn der Journalist Khashoggi ist keineswegs der Regimekritiker, als der er in den Medien beschrieben wird. Dass er mit den Muslimbrüdern sympathisierte und persönlichen Kontakt zu bin Laden hatte, ist bekannt. Beide Familien gehörten zur gehobenen Bourgoisie der Golfmonarchie. So hatte auch Khashoggi, bevor er in Ungnade fiel, gute Verbindungen in höchste Kreise der Herrscherfamilie Saud. Spekuliert wird, der Kronprinz hege evtl. Befürchtungen, dass sich seine Gegner am Hof und Khashoggi verbünden könnten. Aber das wirkliche Tatmotiv kennt niemand und wird möglicherweise auch niemals offengelegt werden.


 

 

 

Anzahl der Ansichten (5608)

Autor kontaktieren

x